Kirche Boddin

Neobarocker Kirchturm

Der Turm der Boddiner Dorfkirche weist eine für Mecklenburg äußerst seltene neobarocke Gestaltung auf. Während sich die geschwungenen Turmhauben des 17. und 18. Jahrhunderts mehrfach erhalten haben (z. B. in Holzendorf), waren die neogotischen Baumeister des 19. und beginnenden 20. Jahrhundert meist bemüht, die Turmbekrönung in einer geraden Pyramidenform ausklingen zu lassen. Die wiedergewonnene Wertschätzung der barocken Formen geht um und nach 1910 mit den Entwicklungen der Reformarchitektur einher, die aus heutiger Perspektive den Anfang der Moderne markiert.

In Boddin schloss sich nach mehrfachen Um- und Neubauten bis zu einem Blitzschlag 1905 ein hölzerner Glockenturm an das mittelalterliche Kirchenschiff an. Nach dessen Niederbrennen wurden die Neubaupläne ab 1911 konkretisiert. Durch den Ersten Weltkrieg konnte der Turm erst 1915 fertiggestellt werden. Im Gegensatz zum hellen Putz und den Fachwerkelementen, die sich zeitgleich im repräsentativen Wohnhausbau zeigen, ist der Turm weiterhin, wie in der Neogotik üblich, ziegelsichtig ausgeführt. Weniger die gelbe Klinkerfarbe, als vielmehr die Rundbögen von Portal und Schallluken setzen ihn jedoch besonders von dieser Tradition ab. Die geschwungene Welsche Haube mit ihrer abschließenden Laterne ist mit Naturschiefer eingedeckt. Diese Eindeckung wurde 1975 teilweise erneuert, wodurch eine grundlegende Sanierung aber nur verschoben wurde.


„Zu einer kleinen Andacht, einer Dankes- und Feierrunde, kamen Gemeindemitglieder aus der Kirchengemeinde Boddin zusammen, um bei einem Meilenstein der Kirchturmsanierung dabei zu sein. Dankbar, dass es keine Unfälle gab, füllten ihr Gemeindepastor und Architekt Peter Blümel eine kleine, runde „Schatzkiste“, die gemeinsam mit dem Wetterhahn auf die Turmspitze gebracht wurde.“

Kirchenzeitung vom 19.07.2015


2015 wurde der Turm bis zur Höhe des Laternenbodens eingerüstet. Die schadhafte Eindeckung wurde vollständig entfernt und die Dachschalung abgenommen. Dies geschah abschnittsweise, da die Schalung das wesentliche Element zur Aussteifung der Dachkonstruktion ist. Erst mit dem Entfernen wurde der genaue Schadensbefund an der Konstruktion sichtbar. Bis zu 8,5 m lange und 0,6 t schwere Hölzer als Stiele für die Laterne waren auf eine Arbeitshöhe von gut 35 m zu transportieren und einzubauen. Die gesamte Turmdachkonstruktion wurde instandgesetzt, der Dachüberstand zum Schutz der Fassade von 2 auf 15 cm vergrößert, die Schalung komplett erneuert und das Dach schließlich wieder eingedeckt. Über zwei Dachspeier aus Kupferblech wird anfallendes Regenwasser zukünftig von der Fassade ferngehalten. Für zukünftige Kontrollen und Prüfung der Dacheindeckung wurden jede Balkenlage und alle Zwischenpodeste im Turmdach abgebrettert.

Umfangreiche Instandsetzungsarbeiten erfolgten ebenfalls am Fassadenmauerwerk des Turms. Die gesamte Westfassade musste wegen loser Ziegel und Rissen im Mauerwerk großflächig bearbeitet werden. Geschädigte Ziegel wurden ausgestemmt und durch neue, gelbe Ziegel ersetzt. An den Fassaden der Nord- und Südseite wurden schadhafte Fugen neu zugesetzt. Der Turm erhielt eine neue Blitzschutzanlage. Im Rahmen eines Festgottesdienstes wurde abschließend die Turmspitze mit Wetterhahn auf die neu aus V4A-Stahl gefertigte Helmstange aufgebracht.

Schallluke vor der Sanierung
Nach der Sanierung

Der instabile Turm ist dank dieser Baumaßnahme wieder standsicher, das Dach wurde in seiner ursprünglichen Gestaltung bewahrt.


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